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Worauf man halt Bock hat

Jan 12, 2015 · 5 mins read
Worauf man halt Bock hat
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Wartest du noch oder machst du schon?

Auf einer Konferenz zum Thema Wissenschaftskommunikation habe ich zwei sehr interessante junge Menschen kennengelernt. Beide machen irgendwie so ein bisschen das Gleiche, kommen aber aus einer komplett anderen Richtung. Was sie dahin gebracht hat wo sie jetzt sind?

Die Leidenschaft.

Ja, mit der Leidenschaft steht und fällt alles, auch der Berufseinstieg. Man kann sich noch so gut und strategisch überlegen, was denn so am Arbeitsmarkt gefragt ist, welches Ehrenamt man mal ableisten muss, und welche Instrumente man in die Hobby-Spalte im Lebenslauf eintragen sollte. Aber was ist mit Authentizität? Wenn man etwas nicht mit Leidenschaft tut, dann doch bitte lieber gar nicht.

Vorhang auf für: Lukas Helmbrecht, 26, Nanophysiker und Filmemacher

Seitdem er 12 war, hat er immer wieder mit der Videokamera und den Freunden im Schlepptau Filme gedreht, nur so zum Spaß. Mit 16 fing er dann an, Stop-Motion Filme mit Lego zu produzieren.

Lukas und “das Nano” aus seinem Erklärfilm “was ist eigentlich Nano?”

Mein Favorit: Alles ist die Noppe – eine fantastische Geschichte darüber, wie sich ein kleines Lego-Männchen im Orwell’schen 1984 Stil gegen das System erhebt. Wie kommt man darauf? Am Anfang steht immer der Spaß, die Idee, eine Geschichte.

Aber was ist er denn jetzt? Forscher oder Filmproduzent? “Die Wissenschaft steht für mich an erster Stelle, da geht es beruflich hin. Und Filme machen, das war eigentlich immer Freizeit.” Und heute gewinnt er damit Filmpreise. Beeindruckend!

Aus Spielerei wird Ernst

Auch beruflich kann einem so ein ausgefallenes Hobby manchmal weiterhelfen. Sein Freund hat deshalb sogar mal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen. Er war möglicherweise genauso qualifiziert wie seine Mitstreiter, doch er hatte eine Leidenschaft, die ihn von den anderen Bewerber abhob: Wissenschaftler mit kreativem Bezug – auch wenn seine künftige Arbeit nichts mit Film zu tun hatte, hat der Arbeitgeber den interessanten Charakter in ihm gesehen. Und das kann manchmal den wichtigen Unterschied für den Berufseinstieg machen.

Ich habe mich in einem Bewerbungsgespräch mal ellenlang über das Reisen unterhalten. Wenn man etwas mit Leidenschaft macht, bleibt es dem Gegenüber fast immer positiv im Gedächtnis.

Mittlerweile hat es sich so eingebürgert, dass man ach so unbedingt ehrenamtliche Arbeit im Tierheim, Kinderheim oder sonst wo abgeleistet haben muss – ob man damit nun was anfangen kann oder nicht. Soziales Engagement als Pflichtveranstaltung – lässt es das nicht zur Farce verkommen? Wenn man es nicht gerne und aus Überzeugung macht, bringt es auch nichts, sich da pro forma reinzuhängen.

Lukas’ Moral von der Geschichte: “Man muss halt einfach machen, worauf man Bock hat.” Wenn man etwas mit Leidenschaft verfolgt, wird der Erfolg plötzlich zweitrangig – und dann kommt ja vielleicht alles Weitere von selbst.

 

Und noch so? Tobias S. Hoffmann, 26, freischaffender Motiondesigner.

Tobias merkte irgendwann, zwischen Bio- und Kunst-LK, dass der künstlerische Ausdruck und das bewegte Bild sein Ding sind. Später spezialisierte er sich auf die Wissenschaft – er visualisiert komplexe Inhalte, stellt mit seinen Filmen ethische und moralische Fragen, macht Erklärfilme für Kinder. Wie kam er denn bitte zur Wissenschaft??

Motiondesigner Tobias S. Hoffmann

So richtig angefangen hat es mit seiner B.A.-Arbeit zum Thema Brainside: wie kann man einen Gehirnschlag visuell und künstlerisch inszenieren? Es war ein experimenteller Film – hach ja, im Studium darf man sich noch austoben…

Er betrachtete den Gehirnschlag wie ein Event, das es filmisch rüberzubringen gilt. Der Wissenschaftler, den er für ein Interview kontaktierte, lud ihn dann mit dem fertigen Film zu einem Filmfestival ein – hier knüpfte er Kontakte zu seiner potenziellen Klientel. Ab da entwickelte alles eine gewisse Eigendynamik: Zufall, Glück, Empfehlungen. Die meisten Kontakte und Chancen versickerten einfach wieder, ohne dass sich etwas entwickelte. Aber aus einigen folgen danach weitere Aufträge. Für die Yale University konzipierte er zum Beispiel den Film Inscapes, der nun Kindern vorgespielt wird, während sie in einer MRT-Röhre liegen und ihr Gehirn erforscht wird. Die ruhige, aber dennoch interessante Filmsprache nimmt den Kindern die Angst, “während sie in so was wie einem riesigen Science Fiction-UFO stecken und sich nicht bewegen dürfen.”

Die Kunst ist seine Nummer Eins, das ist für ihn klar. Aber der Bezug zur Wissenschaft ist ihm ebenfalls wichtig – gerade die Verbindung aus Gestaltung und Inhalt fasziniert ihn. “Klar könnte ich auch Werbung machen, aber das wäre ja nicht so spannend”.

Aber kann man von “spannend” leben?

Und das ist natürlich auch das Schwierige an der Sache: “man muss irgendwie für sich den Spagat schaffen, zwischen interessanten Inhalten und Wirtschaftlichkeit. Man muss ja auch von etwas leben können.” Aber Tobias weiß: wenn man überzeugt von einer Sache ist, sich reinhängt und durchhält, kann man es schaffen, auch wenn es streckenweise “einfach nur harte Arbeit ist, bei der man Ausdauer, Konzentration und vor allem einen eisernen Willen benötigt.” Gegen etwas anderes eintauschen würde er seinen Job, mit dem er seinen Berufseinstieg geschafft hat, dennoch nicht. “Es ist toll, etwas Sinnstiftendes machen zu können, und allein die Recherchearbeit ist immer schon enorm interessant.

Mein Favorit von Tobias: Der wahsinnig gut gemachte Kurzfilm Playground Matter. Er stellt all die bequemen und unbequemen Fragen an die Wissenschaft, die man schon immer mal stellen wollte.

Was Tobias in seinen zwei Jahren Berufserfahrung gelernt hat? Alles worauf es ankommt, ist Überzeugung, Leidenschaft und Ausdauer.

“Manche Menschen warten ja mit einer göttlichen Ruhe auf diese Eingebung, die ihnen sagt, wozu sie berufen sind. Das passiert aber nicht einfach so. Man muss ausprobieren, machen, und vor allem am Ball bleiben. Dann merkt man, was man gerne tut, wo man sein Potential sieht und wo es sich lohnt, mehr Arbeit reinzustecken.

Man darf einfach nicht aufhören zu versuchen. Wenn einem etwas wichtig genug ist, ist es auch nicht so schlimm am Anfang rote Zahlen zu schreiben. Beharrlichkeit und eine kleine Portion Mut gehören einfach dazu.”

So ist es. Ich wünsche Lukas und Tobias viel Erfolg dabei, weiterhin Beruf, Hobby und Leidenschaft verbinden zu können.

 

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