Nach einer Reihe von Praktika, einer Ladung Zukunftsangst und etwa 100 Bewerbungen – wobei sich nur ca. 10 Unternehmen/Organisationen die Mühe gemacht haben, mir eine Absage zu schicken – war es soweit: Berufseinstieg. Ich begann meinen ersten echten Job. Das ist nun sage und schreibe ein Jahr her.
Zeit für eine Bilanz. Ich habe das Gefühl, dass dieses Thema ziemlich gegensätzlich diskutiert wird. Die einen sagen: ist doch eh alles kacke – wir studieren und kriegen sowieso keinen Job! Die anderen rufen: alles Hamsterrad und Selbstausbeutung, ich steig’ aus und werde Pirat! Wieder andere wollen unter gar keinen Umständen jemals in einem 9 to 5-Job landen, weil das die vollkommene Verkörperung des Spießertums wäre. Aber was hat es denn nun auf sich mit dem Berufsanfang, wo sind die Sahnetörtchen und wo die Fallstricke?
Moment des Erwachens Erinnerst du dich an den Moment, in dem du das erste Mal wider Willen in die Erwachsenenwelt katapultiert wurdest? Auf der einen Seite der Sommerferien, sprich im Kindergarten, darf man noch den ganzen Tag Sandkuchen backen, St. Martinslaternen basteln und ab und zu mit dem Teddybären Mittagsschläfchen halten. Auf der anderen Seite des Sommers wartet dann ein viel zu schwerer Scout-Rucksack – gefüllt mit Linealen, Bleistiften und karierten Rechenheften auf dich. Die mit Süßkram gefüllte Schultüte ist nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver – die fetten Jahre sind endgültig vorbei.
Ist es beim Berufsanfang nicht ähnlich? Ist das Gehalt, das man nun zur Verfügung hat, ein recht zweifelhafter Tausch gegen all die Freiheiten, die man dafür aufgibt?
Alles scheiße! Oder? “Arbeiten kann sich anfühlen wie Urlaub mit den Eltern”, schreibt Laura Höflinger vom Spiegel: “Berufsberater haben einen Namen für den Moment, in dem die alte und die neue Welt aufeinanderprallen: Praxisschock. Ist die Phase überstanden, so die Hoffnung, geht es aufwärts. War es nicht sogar das, was man wollte? Wofür man all die Jahre geackert hat? Endlich echte Fälle, echte Menschen, keine Bücher lesen, Bücher schreiben. Etwas schaffen, bauen und verändern, möglichst was Sinnhaftes. Vielleicht ist es aber auch nur die Gewöhnung, ein Fügen in die Umstände. Vielleicht weiß man auch schon gar nicht mehr, was man mit seiner Zeit sonst anstellen würde. Vielleicht.”
Okay, da ist was dran. Ja, seit dem Berufseinstieg vermisse ich die Zeit mit meinen Freunde an der Uni so sehr, dass es mich manchmal lähmt. Ja, ich hätte gerne die Energie, um Donnerstags bis in die Puppen zu partyieren und trotzdem Freitagmorgens halbwegs fit zu sein. Ja, ich verfluche diese blöde Arbeitswelt, wenn der Wecker montags wieder klingelt!
Systemopfer oder Glückspilz? Aber ob du dich nun als Zombie im Auftrag des Hamsterrad-Systems siehst oder doch eher als Glückspilz, der sich endlich mal an “echten” Fällen austoben kann, hängt doch an einer ganz banalen Frage: macht dir Spaß, was du jeden Tag machst? Bist du in deinem Element, wenn du plötzlich Verantwortung trägst und es wichtig ist, dass du das jetzt lieber nicht verkackst – anders als bei so ‘ner öden Hausarbeit, die keiner liest? Weckt es deine “creative juices”, wenn du dich einbringen, was bewegen und neue Projekte an Land ziehen kannst?
Oder siehst du einfach beim besten Willen keinen Sinn in deinen Aufgaben, die eigentlich nur Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind; hasst du deinen Chef, den Penner, der alles nur delegiert, weil er selber nichts kann? Würdest du lieber alles hinschmeißen, ein Katzencafé eröffnen und dein eigener Boss sein? Dann nichts wie weg – vielleicht wartet dein Glück ja hinter der nächsten Ecke auf dich!?
Etwas schaffen, bauen und verändern Auch wenn ich jetzt, nach einem Jahr, immer noch nicht erwachsen genug bin, um eine crémefarbene Bluse oder gar eine weiße Hose unbeschadet durch den Arbeitstag zu bringen (Kaffeeflecken sind mein Feind): Für mich überwiegt das Positive. Auch wenn es nervige Tage gibt, auch wenn mehr Zeit zum rumhängen mal wieder cool wäre: Für mich ist da noch mehr. Ich liebe es, etwas zu schaffen, was vorher noch nicht da war. Etwas zu verändern, was vorher nicht so rund gelaufen ist. Das Selbstbewusstsein nach einem erfolgreichen Projekt ist nicht dasselbe, wie eine gute Note an der Uni – folgte da doch trotzdem immer die Angst, mit seiner brotlosen Kunst keine Arbeit zu finden.
Also, Praxisschock hin oder her: ich würde das mit dem Berufsanfang jetzt alles noch einmal genauso machen. Denn wenn man mag was man tut, dann klappt das auch mit dem Wecker montags. Mal sehen, wie meine Bilanz in ein paar weiteren Jahren sein wird.
Wie sieht’s bei dir aus? Wie war dein Berufseinstieg – Praxisschock oder Höhenflug? Magst du deinen Job oder möchtest du lieber ausbrechen aus dem Hamsterrad?