Da ist sie wieder, diese Frage, die verhasste Frage, bei der sich mir alle Nackenhaare aufstellen. Ich laufe in einem Budget-Fallschirmsprunganzug in Haren an der Ems herum – in der einen Hand meine Kamera samt Mikrofon, das mir immer wieder auf den Boden fällt, und mein Handy in der anderen. Im Kopf bin ich schon ganz bei den Szenen, die ich für mein YouTube-Video noch abdrehen muss, und der Sorge, dass beim Sprung hoffentlich gutes Material bei rum kommt. Ich hasse es, nicht die Kontrolle über die Kamera zu haben, aber Regeln sind Regeln und da sollte man sich dran halten – gerade beim Fallschirmspringen.
Und da ist dann noch dieser Sprung, für den ich gedanklich eigentlich kaum Zeit habe. Vielleicht ist das auch ganz gut, denn normalerweise springe ich nicht mal vom Dreimeterbrett im Freibad, geschweige denn aus 3.000 Metern Höhe aus einem Hubschrauber.
Die anderen Leute um mich herum gucken neugierig, was ich da so geschäftig am rumwuseln bin und ich erkläre meine Rolle bei dem ganzen Spektakel. Und da war sie. “Machst du das beruflich?”, fragt ein nettes Mädel neugierig. Gemeint war das Reisebloggen, was von vielen mit “kostenlos Urlaub machen” gleichgesetzt wird.
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Meine Antwort: “Ja im Prinzip schon”. Im Prinzip steht dabei quasi als Platzhalter für all das, was ich eigentlich drum herum noch mache und was eigentlich den Löwenanteil meiner Arbeit ausmacht. Aber wenn ich das alles erzählen würde, dann hätte mein Gegenüber sicher schon beim zweiten Wort abgeschaltet. Also habe ich es mir abgewöhnt, auf diese Frage differenziert zu antworten.
Nein, ich studiere nicht Kochen und Putzen!
Mit “Und, was machst du so” stand ich eigentlich schon immer auf Kriegsfuß. Das fing schon im Studium an, als ich auf die Frage nach meinem Studiengang mit “Ökotrophologie” antwortete. Darauf bekam ich genau zwei mögliche Antworten. Und zwar entweder “Hä, was?” oder “Ah Ökotrophologie – dann studierst du Kochen und Putzen”.
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Tatsächlich war mein Studium mit dem netten deutschen Titel “Haushalts- und Ernährungswissenschaften” (der tatsächlich schnell zur oben genannten Vereinfachung führte) eine Kombination aus ErnährungsWISSENSCHAFTEN, Wirtschaft und SozialWISSENSCHAFTEN. Aber das interessierte natürlich keinen.
PR was ist das?
Da das Thema Ernährung gesundheitspolitisch zwar enorm relevant ist, aber niemand dafür Geld ausgeben möchte, landen viele meiner Kommilitonen – so auch ich – in eher artfremden Berufen. Und so begann ich, nach meinem Studium ein PR-Traineeship in einer PR-Agentur für Gesundheitskommunikation. Das machte die Frage “Und was machst du so (beruflich)?” leider auch nicht besser. Zwar hatte mein Beruf jetzt einen Namen, aber keiner wusste so wirklich, was sich dahinter verbirgt.
Ich glaube meine Eltern wissen bis heute nicht so richtig, womit ich mich tagtäglich beschäftigt habe und heute auch noch tue. Ich ging dazu über den Begriff mit “Pressearbeit” zu erklären, was zwar nur zum Teil stimmte, aber meine Tätigkeiten immerhin ein wenig greifbar machen. Aber auch nur ein wenig. “Also bist du Journalistin?!” Arrgh.
Die digitale eierlegende Wollmilchsau
Heute ist das ganze nun noch ein wenig komplizierter. Denn wer will auf die beliebte Smalltalk-Frage schon hören: “Ich bin Reisebloggerin auf Sonne & Wolken , schreibe über meine Selbstständigkeit auf Chapter One Mag, bin Social Media Managerin (z.B. für Kunden aus dem Bereich Ernährung), berate Unternehmen in Sachen Blogger Relations, bin Texterin und Onlineredakteurin, baue Webseiten und Blogs und schreibe nebenbei ein Buch zum Thema “Lebe lieber abenteuerlich”? Eben. Niemand.
“Ist ja cool, dass du vom Bloggen leben kannst”, lautet meist die Reaktion, die mir zeigt, dass ich mir alles weitere nach dem ersten Punkt auch hätte sparen können.
Okay vielleicht war das jetzt ein bisschen zu viel pauschalisieren. Denn es gibt sie tatsächlich, die Leute, die das tatsächlich interessiert. Die sich meine Erklärungen zum Thema Bloggen als Beruf und Social Media Management tatsächlich gerne anhören. Es gab auch damals Menschen, die die Wissenschaftlichkeit und Komplexität meines Studiums tatsächlich zu würdigen wussten. Nur kamen eben diese auch meist aus der gleichen Branche.
Und so werden sich auch in Zukunft bei mir wohl wieder die Nackenhaare aufstellen, wenn jemand ansetzt zu der Frage, die in unserer Gesellschaft anscheinend so wichtig zu sein scheint.
Schublade auf, Jana rein. Arrgh!
Wie antwortest du auf die Frage aller Fragen? Ist das bei dir genauso schwierig oder gehörst du zu den glücklichen mit “richtigem” Beruf?
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