Prokrastination. Das ist keineswegs etwas, was nur Studenten und Faulenzer plagt. Sie ist eine ganz natürlich Reaktion auf Aufgaben, bei denen man nicht so genau weiß, wie man sie löst. Weil sie zu abstrakt sind, weil man gerade ein kreatives Tief hat, weil man ratlos ist. Oder aber man weiß genau, was man zu tun hat, drückt sich aber davor, weil die Aufgabe schlichtweg zu schwierig ist. Zumindest denkt man, sie sei zu schwierig. “Das mache ich, wenn ich die Zeit habe, es ordentlich zu machen” a.k.a. niemals.
Sounds familiar?
Phase 1: Perfektionismus killt die Kreativität
Eigentlich habe ich mit Aufschieberitis nicht besonders zu kämpfen. “Nicht quatschen, tun!” ist in der Regel mein Motto, während ich schon die Ärmel hochkrempele.
Manchmal aber mache ich mir mit einer Aufgabe unnötig Stress, weil ich aus unerfindlichen Gründen der Meinung bin, dass es gleich beim ersten Anlauf perfekt werden muss. So ist neulich aus meinem kleinen Textentwurf für einen 8-Seiter gedanklich eine fürchterliche und haarige Mammutaufgabe geworden. “Das dauert Tage, das fang ich jetzt nicht an”, denke ich heimlich. “Die Deadline ist ja erst Ende nächster Woche. Und überhaupt, wenn ich’s mache, dann mache ich es richtig.” Perfektionismus und Prokrastination sind Geschwister, glaube ich.
Tagelang setze ich das kleine Outlook-Fähnchen immer weiter in Richtung Zukunft: “aus den Augen aus dem Sinn”, denkt mein innerer Schweinehund, während er sich schelmisch die Hände reibt.
Nun, wenn da nicht diese blöde Deadline wäre, die näher rückt. Und näher. Und näher. Bis sie mir voll-karacho und mit Anlauf ins Gesicht knallt. Kurz vor dem Termin kommt dann meine verschollene Inspiration, für die ich bereits eine Vermisstenanzeige vorbereitet hatte. Und Überraschung: Ich fülle meine Seiten. Na sowas.
Phase 2: Zeitdruck killt den Perfektionismus
Was ich innerhalb einer Stunde produziere ist keineswegs perfekt. Aber es ist ein Entwurf mit Hand und Fuß. Eine Basis, die ich vorstellen und ausarbeiten kann. Endlich ein Zwischenergebnis, ganz ohne unnötigen Perfektionismus und mit der nötigen Portion Pragmatismus. Wie kommt’s? Zeitdruck kann schon mal beflügeln, vor allem wenn es Perfektionismus war, der einen gebremst hat; die Erfahrung haben sicherlich schon viele gemacht.
Aber kann man das auch künstlich hervorrufen? Kann ich mich selbst überlisten und sagen: so, bis morgen hast du’s umgesetzt – obwohl ich ja ganz genau weiß, dass ich noch ewig Zeit habe? Unwahrscheinlich. Oder?
Phase 3: Kann man Zeitdruck auch künstlich hervorrufen?
Dann sah ich Carlas Artikel bei mach-ich-morgen. Mit der sogenannten Pomodoro-Technik soll man den Drang zur Prokrastination in den Griff bekommen. Das Prinzip ist denkbar einfach: Man stellt sich einen Wecker, der nach 25 Minuten klingelt (der Erfinder hatte eine tomatenförmige Küchenuhr – daher der Name Pomodoro-Technik). In diesen 25 Minuten macht man die Tür zu, das Telefon aus, das Email-Postfach zu und versucht so viel wie möglich in dieser Zeit zu schaffen. Danach macht man 5 Minuten Pause. Klingt irgendwie interessant, also probiere ich es aus.
Das tue ich an einem Tag, an dem ich das Gefühl habe, das Chaos nicht in den Griff zu kriegen. Ich habe drei solcher oben beschriebenen Aufgaben im Nacken sitzen, die an sich gar nicht so schlimm sind, aber irgendwie trotzdem nicht leicht von der Hand gehen. Zudem ist mein Postfach voller ungelesener Emails – am liebsten würde ich einfach den Kopf in den Sand stecken.
In 25 Minuten zum Ziel?
Also nehme ich mir vier 25-Minuten-Slots vor. Den ersten verwende ich darauf, meine Emails zu lesen und meine To-Dos zu sortieren. Mit dem Status-Quo kann ja kein Mensch vernünftig arbeiten! Der künstlich erzeugte Zeitdruck funktioniert schon mal ganz gut, denn ich weiß ja, dass ich mich nach Ablauf der Zeit schon den nächsten Slots widmen möchte. So weit, so gut. Ich werde genau nach 25 Minuten fertig.
In der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Slot rufe ich zwei Kollegen zurück, mache mir einen Tee und beantworte ein paar unwichtige Mails.
Nach diesen „leeren“ fünf (oder eher 10) Minuten beginne ich mit dem zweiten Slot: Ich will ein Konzept schreiben, bei dem ich eigentlich noch nicht weiß, wo ich überhaupt anfangen soll. Aber weil 25 Minuten schnell rum sind, mache ich einfach mal. Überraschung: es geht ganz gut von der Hand. Nach der knappen halben Stunde bin ich natürlich nicht fertig. Aber ich habe eine grobe Struktur und den Analyseteil schon mal fertig. Das freut mich, also mache ich die Uhr aus, pfeife auf die nächsten Slots und mache einfach weiter. Nach weiteren anderthalb Stunden bin ich bei einem Zwischenstand angekommen, den ich guten Gewissens mal so ruhen lassen kann. Bäm!
Regelmäßige Pausen sind wichtig
Ich schalte wieder in den Leerlauf, quatsche kurz mit meiner Kollegin über das bevorstehende Meeting, lüfte mein Büro und gehe über zum dritten Slot. Recherche für einen Artikel. Jeder weiß, so etwas kann sich (gefühlt) Jahre hinziehen. Wann ist eine Recherche schon vollständig? NEVER.
Der künstlich erschaffene Zeitdruck von 25 Minuten wird mittlerweile durch einen realen verstärkt: Ich beginne schon langsam hungrig zu werden, und die Kollegen haben sich bereits zum Mittagessen verabredet. Also los geht’s. Ich lasse mich nicht ablenken von all den anderen interessanten Sachen, auf die ich während meiner Recherche stoße (ich schiebe sie in meinen Lesezeichenordner), sondern suche nach dem was ich suche, und zwar ausschließlich.
Natürlich werde ich auch hier wieder nicht fertig. Aber darum ging es ja auch gar nicht. Ich habe den ersten Schritt gemacht, und der ist bekanntlich der schwierigste. Also gehe ich entspannt und zufrieden in die Mittagspause. Der Nachmittag beginnt mit einem ähnlichen Drive, diesmal ohne Uhr. Denn jetzt, wo ich meinen ehemals abstrakten und haarigen Aufgaben ohne Gesicht eine grobe Struktur gegeben habe, sieht die Welt erfahrungsgemäß schon ganz anders aus.
#Prokrastination: Ist der erste Schritt getan, geht der Rest fast von alleine. Click To Tweet
Ist die Pomodoro-Technik jetzt etwas für jeden Tag?
Sicher nicht. Ich brauche auch die Zeit ohne Druck, in der ich einfach nachdenken, stöbern, ausprobieren kann. In der ich mir Zeit lassen kann, Dinge zu verstehen und zu hinterfragen. Denn: Zu viel Zeitmanagement ist für die Kreativität ebenso tödlich, wie Perfektionismus, wie auch Silvia Follmann von Edition F eindrucksvoll beschreibt. Aber als gesunde Mitte (und in meiner ganz persönlichen Abwandlung) finde ich die Pomodoro-Taktik sehr hilfreich.
Denn ab und zu muss auch mal etwas von dieser grandiosen Kreativität aufs Papier kommen.
Ehh, beziehungsweise in das leere Word-Dokument.
Wie machst du es, wenn mal nichts weitergeht?
Hast du regelmäßig mit Aufschieberitis zu kämpfen oder bist du mittlerweile der Master der Produktivität? Teile deine Tipps und Methoden mit uns in den Kommentaren!