Nach dem Studium wird alles besser. Haben Sie gesagt. Wir tauschen schmuddelige WG-Partys gegen angesagte Afterwork-Events, schnelle Bekanntschaften gegen einen festen Partner und den unterbezahlten Job an der Supermarkt-Kasse gegen eine waschechte Karriere. So, wie es sich für Erwachsene eben gehört. Alles, was wir dafür tun müssen, ist eine kleine Hürde zu meistern. Eine Hürde mit dem Titel “Berufseinstieg”.
“Kann ja nicht so schwer sein”, habe ich mir damals gedacht, als ich an einem Punkt in meinem Leben angekommen war, an dem mein Studenten-Dasein in den letzten Atemzügen lag. “Schließlich haben es schon viele vor mir geschafft… die nicht so gut sind wie ich, es einfach nicht so drauf haben wie ich.”
“Wieso sollte ich keinen Job finden?” Zum Zeitpunkt meines Berufseinstiegs war ich 25 Jahre alt. Ich hatte (habe) keine Kinder, dafür aber einen festen Partner. Ich bezeichnete mich als zielstrebig und geerdet. Ich wusste nach dem Ende meines Masterstudiums (Journalismus), wohin ich wollte und was ich konnte. Ich besitze – so meine eigene Einschätzung und die Bewertung anderer – ein ausgeprägtes Schreibtalent, weise ein hohes Maß an sozialer Kompetenz auf und bin auch ganz allgemein ein ziemlich umgänglicher Mensch. “Wieso sollte ich also keinem Job finden?”, fragte sich mein damaliges Ich und wirkte dabei betont lässig – wohl um die Unsicherheit, die mich umtrieb, zu verdecken.
Ich weiß bis heute keine Antwort auf diese Frage, kann aber sagen, dass meine Qualifikationen, Kompetenzen und Vorzüge scheinbar nicht ausgereicht haben, um mir zu einem Job zu verhelfen. Um es kurz und schmerzlos zu machen: Niemand wollte mich haben, keines der Unternehmen, bei denen ich mich beworben habe (vom Landeskirchenamt bis zu einem Online-Shop für Jägerzubehör), wollte mich einstellen. Es ist schwer, so offen und direkt darüber zu schreiben. Mein Selbstbewusstsein hat in der Zeit der Bewerbungen stark gelitten – aber sich auch wieder erholt. Denn erhobenen Hauptes kann ich von mir behaupten, dass ich den Berufseinstieg trotz diverser Steine im Weg mit Glanz und Gloria geschafft habe. Ich habe mich einfach “mal eben” selbstständig gemacht.
Wie war das mit dem Plan B? Selbstständigkeit. Allein der Begriff sorgt bei der Mehrheit von uns für ein ehrfurchtsvolles Raunen und Staunen. „Ich?! Mich mal selbstständig machen? Niemals!“, so (oder so ähnlich) klang meine Antwort noch vor ein paar Jahren, als man mich nach möglichen Berufs-Optionen fragte. Selbstständig zu sein, bedeutete für mich immer nur eines: Unsicherheit. Nicht wissen, was morgen ist. Oder übermorgen. Oder in 30 Jahren. Der Gedanke, „mein eigener Chef zu sein“ klang für mich nie nach der ganz großen Freiheit, sondern nach dem puren Horror. Die Selbstständigkeit als Plan B, wenn es mit dem festen Job nicht klappt? Eher Plan Q, würde ich sagen.
Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich in mich hineingrinsen. Wie sehr sich die Einstellung zu etwas im Laufe der Zeit doch ändern kann! Inzwischen bin ich selbstständig – und es nicht mal halb so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ehrlich gesagt ist es gar nicht mal so übel – um nicht zu sagen: Ziemlich cool.
Ich bin als Mensch, der sein Geld mit dem Schreiben verdient, ein Freiberufler. Das bringt vor allem zwei wichtige (und vorteilhafte) Unterschiede zum klassischen Gewerbe mit sich: Ich zahle keine Gewerbesteuer und ich habe weniger buchhalterischen Aufwand. Es ist – wenn man so will – eine Art Light Version der richtigen Selbstständigkeit, die mir allerdings vollkommen ausreicht. Was für mich zählt, ist, dass ich mein Geld mit dem Schreiben verdienen und davon gar nicht mal schlecht leben kann. Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich Mut bewiesen – und den Berufseinstieg in Form einer Arschbombe in eiskalte Wasser gewagt.
Da ich die Selbstständigkeit nie so wirklich auf dem Schirm hatte, kannte ich mich mit den ganzen Formalien überhaupt nicht aus und musste mich in dem Dschungel der Anträge, Versicherungen und Steuern erst einmal zurechtfinden. Ich kann von Glück reden, dass ich dabei Unterstützung von zwei ganz lieben Menschen erhalten habe, die mich auch jetzt noch mit Rat und Tat unterstützen.
Und was ist nun mit der Unsicherheit? Es wäre jetzt natürlich falsch und heuchlerisch, zu sagen, dass nun alles “Friede, Freude, Eierkuchen” ist. Auch ich werde etwa alle zwei Monate mal von Existenzängsten, unsicheren Gefühlen oder irgendwelchen anderen (negativen) Emotionen übermannt. Ich glaube, das ist ganz normal und gehört einfach dazu. Es macht meinen Job noch ein bisschen spezieller und aufregender und erinnert mich erfolgreich daran, nichts als Selbstverständlichkeit hinzunehmen.
Damit ich nicht jede Nacht schweißgebadet und albtraumgeplagt aufwache, habe ich mir trotzdem so etwas wie eine Strategie zurechtgelegt (eine Art doppelter Boden sozusagen). Zu den wichtigsten Punkten gegen die Unsicherheit gehören:
Regelmäßige und langfristige Zusammenarbeiten mit meinen Kunden umfassende Altersvorsorge Absicherung im Krankheitsfall bzw. bei Unfall Sparen (für schlechte Zeiten) Aufbau eines qualitativen Netzwerkes (auf das ich im “Krisenfall” zurückgreifen kann) Es ist sicher nicht der typische Weg, sich direkt nach dem Studium selbstständig zu machen, aber hey: Wer will schon gerne typisch sein?! Wege sind da, um auch einmal verlassen zu werden – erst recht, wenn sie eine Sackgasse sind.
Und du? Wie stehst du der “Option Selbstständigkeit” gegenüber? Ich freue mich über einen regen Austausch unten in den Kommentaren!