Don’t stop until you drop.
Neulich habe ich darüber geschrieben, dass ich nun, ein Jahr nach meinem Berufseinstieg, ein ganz gutes Gefühl dafür habe, ob man ich mich in meinem neuen Lebensumfeld wohl fühle oder nicht.
Ich persönlich bin sehr zufrieden – vielleicht liegt das an meiner relativ guten Work-Life-Balance, an meinen vielen Nebenprojekten oder an der Tatsache, dass ich in meiner neuen alten Wahlheimat glücklich bin. Wer weiß.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich einen Sinn erkenne in dem was ich jeden Tag von 9-5 mache und mir mein Beruf Spaß macht.
Aber was ist, wenn nicht?
Was macht man eigentlich, wenn das nicht der Fall ist, wenn der Berufseinstieg gleich von Jobfrust bestimmt ist? Wenn man sich jeden Morgen aus dem Bett prügelt und und dann das Gefühl hat, zurück ins Gefängnis zu gehen? Wenn der Freitagabend weniger ein nice-to-have ist, sondern vielmehr ein überlebenswichtiger Anker, damit man nicht komplett durchdreht? Darf man dann bloß nicht aufgeben?
Wie lange “muss” man denn aushalten, bis man weiß, dass man sich lieber verkrümeln sollte? Wie lange muss man sich quälen, bis man mit Gewissheit sagen kann “nee du, lieber Job, wir passen nicht zusammen. Es liegt übrigens nicht an mir, es liegt an dir!” Wann ist es okay, zu neuen Ufern aufzubrechen? Erst wenn man flachliegt und gar nicht mehr kann? Wenn man tot umfällt?
Warum all diese Fragen? Nun, mein Lieblingskollege verlässt uns bald. Was mir persönlich so viel Spaß macht und mich antreibt, ist für ihn der pure Hass; was er gerne macht, ist für mich wiederum ätzend. So ist das eben – wäre ja fatal, wenn alle das Gleiche mögen würden.
Das Übel, das man kennt, ist (scheinbar) das erträglichste.
In einer solchen Situation durchforstet man gerne mal den Stellenmarkt nach neuen Möglichkeiten. Doch oh je, der neue Alltag könnte sich ja auch wieder enorm von den ursprünglichen Erwartungen und Hoffnungen unterscheiden, dann könnte der Jobfrust ganz schnell wieder da sein. Dementsprechend hat man auch nie eine Garantie, dass das, was man sich als Alternative aussucht, besser ist als der relativ beschissene Status Quo.
Und deshalb ist es wohl so unglaublich furchteinflößend, sich auf einen Neuanfang zu einzulassen.
An meiner Uni hatte ich gab es nur einen Berufswunsch: Dolmetscher. So herrlich einfach war das. Da verstand sogar die gesamte Verwandtschaft inklusive schwerhöriger Großtante, was du später mal wirst, in welche Schublade sie dich am Ende von Bologna stecken können (anders als bei ‘Wissenschaftsjournalistin’, das kann ich euch sagen!)
Doch Angst und Leistungsdruck gab es dabei gratis dazu, sozusagen im Komplettpaket: Aus dir wird ja doch nichts, es sind schon viel bessere als du gescheitert. “Nur ungefähr jeder fünfte von euch wird es schaffen, nach dem Abschluss – ohne zu kellnern – genug für Miete und Essen aufbringen zu können. Der Markt für Dolmetscher ist um ein vielfaches übersättigt, und die Selbstständigkeit ist ohnehin kein Zuckerschlecken.”
Wenn die Leidenschaft fehlt
Nun, man soll sich ja bekanntlich nicht entmutigen lassen. Von nichts und niemandem. Allein der eiserne Wille und die ungebrochene Leidenschaft sollten persönliche Entscheidungen leiten.
Aber ich dachte mir irgendwann: wenn ich jetzt plötzlich alles andere interessanter finde, sollte ich dann meine Energie nicht vielleicht lieber in die Dinge investieren, die mich faszinieren und antreiben und nicht in die, die eh nur nerven und langweilen?
Nach dem Bachelor habe ich also die Segel gestrichen und eine andere Richtung gewählt – wie übrigens so einige aus meinem Jahrgang. So toll die Adrenalinschübe in der Dolmetschkabine auch sind, während man eine Sprache in die andere bringt – selbst Inhalte zu schaffen wurde für mich irgendwann spannender. Das habe ich nie bereut.
Scheiß auf die Andern.
Richtig interessant wird es, wenn die eigene, ohnehin schon schwierige Entscheidung dann dem Urteil anderer unterzogen wird. Vor ein paar Monaten habe ich eine ehemalige Kommilitonin getroffen. Auf einer Konferenz, die ich mitorganisiert habe, wurde sie als Dolmetscherin engagiert. Ich hatte mich riesig gefreut, ein vertrautes Gesicht wiederzusehen. Doch das Mitleid und die Überheblichkeit, die mir im Gespräch entgegenschlugen, weil ich Ärmste es ja nicht als Dolmetscherin geschafft hatte, verwirrten mich doch sehr.
“Oh, du bist also jetzt Sekretärin hier?”
Äh, nee. Was will mir dieses tröstende und pseudo-verständnisvolle Lächeln sagen? Hatte ich nicht gerade noch genau erklärt, was ich jetzt mache, dass ich mein Ding gefunden habe und meine damalige Wahl feiere? Diese merkwürdige Reaktion zeigte mir, dass das alles sie nicht im geringsten interessiert hatte. Sie wollte mir nur zeigen, dass sie es geschafft, und dass ich versagt hatte.
Ich verstehe bis heute nicht, was es damit auf sich hatte. In meinen eigenen Augen habe ich nicht versagt, sondern hatte den Mut, mich umzuentscheiden, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Muss denn nicht ich mein Leben gut finden, und nicht jemand anders?
Wie geht’s weiter?
Aber ich schweife ab. Die Entscheidung, mein Studium in eine andere Richtung zu lenken war für mich schon nicht leicht. Wie schwer muss es wohl sein, das mit seinem Beruf zu machen, der einen ein Stück weit definiert; der einem Sicherheit gibt – nicht zuletzt finanziell?
Um an den Punkt zu kommen, wo genug einfach genug war, hatte mein Kollege drei Jahre gebraucht. Ein Freund, der mal in einer ähnlichen Situation war, nur neun Monate. Andere wiederum verbringen ihr gesamtes Leben meckernd in einem Job, den sie hassen – ohne je etwas zu ändern.
Wann ist man es sich selbst schuldig, die Reißleine zu ziehen; wann überwiegt das eigene Unglück die bevorstehende Zukunftsangst; wie gestaltet man seinen Alltag danach; und wie geht man bitteschön damit um, dass scheinbar jeder meint, sich ein vernichtendes Urteil darüber erlauben zu können?
Fragen über Fragen, aber keine Antworten.
Was ist mit dir?
Standest du schon mal vor einer ähnlichen Entscheidung, die deinen Weg verändern sollte? Wie bist du mit Jobfrust umgegangen? Bereust du, wie du dich entschieden hast oder bist du glücklich damit?
Fotocredit: Chelsea Francis