Eigentlich wollte Susanne immer Journalistin werden. Aber als es mit einem Studienplatz für Journalismus nicht geklappt hat, hat sie sich für Französisch und Erziehungswissenschaft entschieden. Auch im Studium blieb der Journalismus weiterhin ihr Ziel.
Doch wie so oft im Leben, kam alles ganz anders. Mit ihrem Berufseinstieg als Uni-Mitarbeiterin richtete sich ihr Werdegang neu aus. Drei Jahre lang betreute sie als Projektleiterin das Deutschlandstipendium und entdeckte dabei ihre Leidenschaft für das Thema Bildung. Heute arbeitet sie als selbstständige Konzeptionerin und Texterin im Bereich Hochschule und Wissenschaft.
Über ihren Berufseinstieg – sowohl als Angestellte als auch aus Selbstständgie – habe ich mir ihr gesprochen.
Liebe Susanne, was genau hast du bisher beruflich gemacht? Und wie hast du für dich entschlossen, dass du den Schritt in die Selbstständigkeit wagen möchtest?
Ich habe die letzten 5 Jahre an der Uni gearbeitet. Zuerst als Studentische, dann als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und zuletzt als Projektleiterin eines großen Stipendienprogramms. Meine Aufgaben waren vielfältig. Ich war für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich und habe mich um das Vertrags- und Kontaktmanagement mit den Förderern, also den Unternehmen, gekümmert. Am meisten Spaß hatte ich bei der Arbeit mit den Studierenden. Über Facebook und Xing habe ich unsere Stipendiaten-Community aufgebaut. Außerdem habe ich Workshops veranstaltet, aus denen tolle Studenten-Initiativen entstanden sind, z.B. Kochevents, deren Einnahmen Müttern in Afrika zugute kommen.
Mit dem Gedanken an eine Selbstständigkeit habe ich schon länger gespielt. Erfahrung hatte ich neben dem Studium als freiberufliche Texterin gesammelt, aber der Schritt in die Vollzeit-Selbstständigkeit ist weitreichender. Ohne Netz und doppelten Boden. Mein Freund ist selbstständig und hat mich darin bestärkt. Was ich in meinem Job an der Uni vermisste und als Studentin ohne Ende hatte, war Flexibilität. Die Selbstständigkeit gibt mir die Möglichkeit, meinen Tag wieder selbst zu planen. Den letzten Schubs in diese Richtung bekam ich durch das Ende meines befristeten Arbeitsvertrags.
Was hat dir beim Berufseinstieg bisher am meisten geholfen – bei deinem vorherigen Job, aber auch beim Einstieg in die Selbstständigkeit? Gab es da große Unterschiede?
Ich konnte bereits während meines Studiums viele Erfahrungen als Praktikantin bei verschiedenen Tageszeitungen und als Assistentin in Bildungsagenturen sammeln. Meinen Berufseinstieg an der Uni hatte ich letztendlich meiner ehemaligen Professorin zu verdanken – also wie so oft im Leben dem guten Netzwerk, das man sich im Lauf der Zeit aufbaut. Dieses Netzwerk war auch dafür verantwortlich, dass ich innerhalb der Uni meinen Job wechseln konnte und drei Jahre das Deutschlandstipendium betreut habe.
Für den Einstieg in meine Selbstständigkeit war auf jeden Fall mein Master in Wissenschaftsmarketing entscheidend, den ich berufsbegleitend gemacht habe. Hier habe ich gelernt, Konzepte zu entwickeln und Kommunikation strategisch anzugehen. Unglaublich hilfreich war auch die Unterstützung von Freunden und ehemaligen Kollegen, die an mich und meine Idee glauben.
Der größte Unterschied beim Berufseinstieg in einen Job oder in eine Selbstständigkeit? Ich bin für mich selbst verantwortlich und muss mich selbst organisieren. Als Angestellte bekomme ich meinen Arbeitsplatz und meine Aufgaben zugewiesen. Ich bin letztendlich immer im Auftrag eines Unternehmens unterwegs und meine Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten enden an einem bestimmten Punkt. Als Unternehmerin geht jeder Fehler, aber auch jeder Erfolg auf mein persönliches Konto. Daran wachse ich täglich.
Wo hast du mehr für deinen Berufseinstieg als Selbstständige gelernt – im Studium oder in deinen ersten beiden Jobs an der Hochschule?
Fachlich gesehen in beiden. Aus meinem zweiten Studium Wissenschaftsmarketing kann ich natürlich sehr viel mehr anwenden als aus meinem Magister in Erziehungswissenschaft und Französisch. Und ohne meine Arbeitserfahrung an einer Fakultät und in der Verwaltung wüsste ich nicht, wie Unis ticken. Ein großer Vorteil, da ich mich ja weiterhin im Hochschulkontext bewege und Hochschulen, Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen dabei berate, wie sie am besten ihre Studierenden und Alumni betreuen, Nachwuchskräfte finden oder ihre Wissenschaftsmarke etablieren können.
Ob Selbstständigkeit überhaupt eine Option ist und wie ich sie angehe, habe ich aber weder im Studium noch später gelernt. Das finde ich im Nachhinein sehr schade. Hier besteht noch großes Entwicklungspotenzial im Bereich der Uni-Lehre, besonders in den Geisteswissenschaften. Nicht jeder findet sofort den Weg ins Gründerzentrum der Uni. Meist fehlt der Mut.
Wie sieht dein Alltag aus? Wie bist du deine Selbstständigkeit konkret angegangen und was ist die größte Veränderung zum Angestelltendasein davor?
Mein Arbeitsalltag findet im Homeoffice statt, so dass ich ihn relativ flexibel gestalten kann. Ich gehe ab und zu eine Runde joggen oder einmal die Woche zum Klavierunterricht – das ist mein persönlicher Luxus. Morgens beantworte ich zuerst E-Mails und kümmere mich um meine Social Media Kanäle. Direkt im Anschluss haben die konzeptionellen Projekte Priorität. Denn dazu brauche ich einen klaren Kopf. Aktuell schreibe ich täglich an meinem Businessplan, um den Gründungszuschuss zu beantragen. Ich weiß zwar noch nicht, ob ich die Förderung bekomme, aber allein der Prozess, eine Idee wachsen zu sehen und in überzeugende Worte zu verpacken, begeistert mich.
Mit der bewussten Entscheidung für die Selbstständigkeit bin ich nach und nach alle dafür notwendigen Schritte gegangen. Ich habe mir über meine Positionierung Gedanken gemacht, meine Webseite mit WordPress aufgesetzt, Visitenkarten drucken lassen, ein Existenzgründerseminar besucht und Versicherungen und Finanzamt kontaktiert. Das wichtigste und aufregendste ist allerdings, mit all dem nach außen zu gehen. Familie, Freunden und ehemaligen Kollegen zu erzählen, dass man ab jetzt selbstständig ist. Dadurch ergeben sich schon die ersten kleinen Aufträge. Kontakte zu pflegen und neue Kontakte aufzubauen ist sowieso der entscheidende Erfolgsfaktor. Daher gehe ich auch ein- bis zwei Mal in der Woche zu Netzwerkveranstaltungen. Meistens Wissenschafts- oder Social Media-Events.
Wenn ich nicht unterwegs bin, setze ich mich abends noch einmal an den Schreibtisch. Mein Tag endet gegen 22.30 Uhr mit einer halben Stunde Pilates. Das entspannt mich und meinen Rücken.
Hattest du Angst vor diesem Schritt? Wie gehst du damit um? Was motiviert dich, trotzdem dranzubleiben und weiter zu machen?
Ich hatte großen Respekt vor diesem Schritt. Das Mindset eines Angestellten und eines Freiberuflers sind zwei völlig verschiedene Welten. Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich die letzten Jahre im Dornröschenschlaf verbracht und stehe nun mit weit aufgerissenen Augen vor einer neuen Welt, mit all ihren unendlichen Möglichkeiten. Und ich kann diese Welt erobern und mich gleichzeitig neu erfinden. Das sind die guten Tage voller Euphorie. Aber es gibt auch schwierigere, in denen ich mich frage, ob es wirklich eine gute Idee war, ins kalte Wasser zu springen und die Verantwortung für meinen Lebensunterhalt komplett selbst zu übernehmen. Dann würde ich am liebsten loslaufen und mir wieder einen sicheren Job suchen. Zum Glück überwiegen die guten Tage. Meine größte Motivation ist meine Freiheit und Unabhängigkeit. Und das Gefühl, ein Leben abseits von Konventionen und ausgetretenen Pfaden leben zu können. Dieses Geschenk motiviert mich jeden Tag.
Blick nach vorn: In einer idealen Welt, in der alles so gelaufen ist, wie du es dir erträumst – wo bist du dann in 5 Jahren?
In 5 Jahren entwickle ich immer noch Konzepte, halte Vorträge und kann meine Arbeit kreativ und frei gestalten. Ich bin begabte Klavierspielerin und Hobby-Künstlerin. Und ein paar Monate im Jahr verbringen mein Freund und ich in Südfrankreich, weil wir von dort ortsunabhängig arbeiten können.
Blick zurück: Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Ich geben?
Lebe ungewöhnlich. Lass Konventionen hinter dir, wenn sie nicht zu dir passen. Du lebst dieses Leben nur einmal. Frag dich, was dich glücklich macht und höre weniger darauf, was andere von dir erwarten.
Fotocredit: Career Service TU Berlin