Der Tag, an dem ich unfreiwillig zur Rednerin wurde
Mein Herz pocht so stark, dass ich denke, der dumpfe Ton wird durch das Mikro vor mir durch die Boxen zu den vielen Zuhörern im Publikum getragen. Meine Hände zittern, fahren noch einmal durch meine Unterlagen. Es geht los.
Ich rede überraschend sicher, wenn auch ein wenig zu schnell. “Du schaffst das!”, sage ich mir. Wenn sich nur auch mein Herz mal endlich beruhigen würde!
Ein paar Wochen zuvor…
… wurde ich angeschrieben, ob ich nicht in einer kleinen Fachsession einen Vortrag über eins meiner Projekte halten könnte. Sie wollen sich Erfolge und Erfahrungswerte abgucken. Aber klar! Eine super Gelegenheit, das Projekt ein wenig bekannter zu machen, dachte ich mir. Gutes Ding, fand auch der Chef.
“Keine große Sache”, sagte mir die Veranstalterin. Den Interessenten circa zehn Minuten davon erzählen, dann vielleicht zwei bis drei Fragen beantworten, das war’s!” Alles in allem klang es also so, als würde ich in einem Stuhlkreis von 20 Leuten erzählen, was ich so den ganzen Tag mache. Passt schon.
Der WTF-Moment
Doch nun, als ich dort ankomme und den Saal (!) sehe, haut es mich um: da sitzen SAU viele Leute. Und ich soll nicht “erzählen, keine große Sache”, sondern vor 250 Leuten eine Rede halten. Mein Name steht sogar in dem gottverdammten Programmheft. WTF?!
Versteht mich nicht falsch – an und für sich habe ich keine Redeangst. In der Regel merkt man mir die Nervosität auch gar nicht so sehr an, wenn man mich nicht kennt. Ich habe, glaube ich, jegliche Hemmungen verloren, als ich täglich vor englischen Schulklassen stand und Deutschunterricht gab.
Aber man möchte dann ja doch ganz gerne vorher darüber Bescheid wissen, was einen da zu erwarten hat oder? Dann könnte man sich vielleicht besser oder zumindest anders vorbereiten, sich noch intensiver über das Publikum informieren oder wenigstens mal in Erfahrung bringen, mit welcher Motivation die ganzen Leute eigentlich da sind!
Last-Minute-Vorbereitungen
Aber gut, rumheulen bringt ja nichts. Zum Glück bin ich schon ein kleines bisschen früher da, habe etwas Zeit mir das Programmheft anzusehen. Zeit, mich zu sammeln und auf die neue Situation einzustellen. Zeit meine Präsentation noch einmal durchzugehen und vielleicht besser an das Publikums anzupassen.
Oh mann. Und dann gehe ich auf diese Bühne und trete ans Pult. Das Zittern lässt nach ein paar Sätzen nach, dafür kommt ein Mann zu mir auf die Bühne gestürzt und fängt an am Mikrofon rumzumengen. Ah, er stellt es tiefer, dämmert es mir nach kurzem Stocken und Nachdenken. “Jaja ich weiß, ich bin ziemlich klein”, rutscht es mir heraus – jetzt natürlich schnurstracks ins Mikro hinein.
Nicht verzagen
Ich spreche weiter, konzentriere meine Blicke auf die vereinzelten Leute im Publikum, die mich anlächeln, die ab und zu zustimmend nicken. Gleichzeitig versuche ich die skeptisch dreinblickenden Gesichter zu ignorieren und die Lacher nicht als böswillig zu interpretieren. Die lachen dich nicht aus, Christina, da ist bestimmt gerade etwas lustiges passiert, rede ich meinem routierenden Gehirn ein.
Wie immer in solchen Situationen rede ich schnell; versuche mich herunterzubremsen und ab und zu zu atmen (wird doch vollkommen überbewertet oder?) und Pausen zu machen. Dennoch bin ich schneller fertig als ich dachte. Am Schluss sage ich, anstelle des wohlüberlegten Abschlusssatzes, den ich mir zurecht gelegt hatte, “Äh, ja, das wär’s schon dazu”. Schlage, sobald der letzte Laut meine Lippen verlassen hat, innerlich die Hände über den Kopf.
Perfektion gibt es nicht
Naja, sei’s drum. Perfekt geht halt eh nicht. Ich torkele von der Bühne, benommen und erleichtert. “Gut gemacht”, höre ich von der Seite. Ein Lächeln, freundliches Schulterklopfen.
Ja, man verbessert sich nur durch üben und ausprobieren – vor allem, wenn man ins kalte Wasser geworfen wird. Aber es hilft doch schon enorm, wenn man vor dem Aufprall ins kalte Nass noch die Gelegenheit hat, Luft zu holen.
In Zukunft werde ich bei solchen Einladungen immer als allererstes fragen, vor wie vielen Leuten denn da “erzählt” werden soll – Beteuerungen à la “keine große Sache” hin oder her.
Aber dennoch: es hat Spaß gemacht, ich fühle mich bereichert und für das nächste Mal wieder ein Stück besser gewappnet. Es geht doch nichts über das “Ich hab’s geschafft”-Gefühl.
Und nächsten Sonntag geht es eh nach Indien! Was könnte da schon meine Laune trüben?!
Und du?
Wie ist das bei dir – warst du schon mal in einer ähnlichen Situation? Musst du öfter vor vielen Leuten sprechen, fühlst du dich wohl dabei? Oder jagt dir das eine Heidenangst ein? Wie gehst du damit um?