Als ich vor einem Jahr als Elternzeit-Vertretung meinen Berufseinstieg schaffte, war ich begeistert, euphorisiert, glücklich. EIN JAHR, GEIL. So viel Planungssicherheit hatte ich zuletzt 1995, als ich in die Grundschule kam und ahnte: hier bleibst du jetzt erst mal ‘ne Weile. Grund genug, sich unverwundbar zu fühlen. Ich habe Job. Bei mir läuft.
Doch bereits bei der Übergabge machte mir die Schwangere a.k.a. meine Vorgängerin sehr deutlich, dass sie nicht gedenkt, mir das Feld einfach zu überlassen. Sehr höflich und bedacht – aber nicht minder bestimmt – war die Botschaft:
Mach es dir nicht zu bequem, ich komme wieder. In einem Jahr. Und das ist auch absolut gut so! Ehrlich. Wenn ich später mal mit der Familienplanung beginne, möchte ich auch, dass mein Job auf mich wartet. Man geht ja schließlich nicht für immer und das letzte was man dann braucht, ist, dass einem der geliebte Job weggeschnappt wird. Soweit so gut. Ein Jahr ist doch ohnehin sooo lang. Tüdeldü.
Wie gesagt, im Angesicht dieser enormen, noch nie da gewesenen Planungssicherheit machte ich mir ohnehin nicht so viele Gedanken über die Zeit danach. Die Zeit, wenn die Schwangere dann gar nicht mehr schwanger ist, sondern Mama und bereit zurückzukehren. Warum auch, soll sich doch mein Zukunfts-Ich damit herumschlagen!
Ersatzreifen oder fünftes Rad am Wagen? Doch die Menschen in meinem Umfeld waren nicht so optimistisch, was das Einfrieren der Zeit angeht: “Was wird in einem Jahr sein? Hast du Chancen zu bleiben? Was machst du dann? Schreibst du schon Bewerbungen? Wirst du vielleicht übernommen?” – Also, Bewerbungen: ja, Übernommen werden: nee, wahrscheinlich nicht – war leider stets die Antwort. Deshalb haben sie ja jemand Junges genommen, um wenigstens dieser Person den Berufseinstieg zu ermöglichen – wenn sonst schon nichts geht.
Nun, dass man der Ersatzreifen ist – ohne den es einfach nicht geht, wenn es mal holprig wird – ändert nichts an der Tatsache, dass man trotzdem nur das fünfte Rad am Wagen ist. Ist der ursprüngliche nämlich wieder einsatzfähig, verschwindet der Ersatzreifen wieder achtlos im Kofferraum – zwischen alten Pfandflaschen und dem ADAC-Atlas, den seit der Erfindung des iPhones niemand mehr braucht.
Und so geizte auch niemand mit gut gemeinten Ratschlägen, und ich hörte von allen Seiten den grandiosesten aller Tipps, mit dem einem eine unglaubliche Bombenkarriere scheinbar gewiss ist:
Mach dich unverzichtbar. Aha, ja okay. Geiler Tipp, danke. So weit, so gut. Und wie geht das jetzt genau?
Unersetzlich machen in sieben Schritten, verspricht die Bild. Einfach sein Profil stärken, sagt n-tv: “Neben Sprach- und IT-Kenntnissen helfen auch soziale Kompetenzen weiter”. Ach wirklich, tun sie das? Das ist ja mal eine Überraschung.
Nun, ich weiß nicht, ob der ein oder andere Leser bereits etwas geahnt hat. Falls nicht, lüfte ich nun das Geheimnis: ein Jahr vergeht schnell, ob man das will oder nicht. Ob ich es nun geschafft habe, mich unverzichtbar zu machen oder nicht, keine Ahnung. Aber ich hatte großes Glück: Obwohl die Schwangere meine Vorgängerin wiederkommt, wurde mein Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Und eine Stelle, die vorher nicht da war, wurde eigens für mich geschaffen. WOW. Während ich noch beschäftigt bin das gebührend zu feiern, habe ich leider keine sieben Schritte dazu parat, wie man es schafft, sich unersetzlich zu machen und den Job zu behalten, obwohl die Aussichten schlecht sind. Aber zumindest weiß ich, wie es bei mir war.
Frischfleisch oder: neue Ideen Ich hatte viel zu lernen in den ersten Wochen und Monaten. Das hatte seine Schwierigkeiten. Ich war zum Teil unsicherer und langsamer als meine Vorgängerin, übersah manche Aspekte, die man besser nicht übersehen sollte – einfach weil ich noch nicht so geübt war. Hinzu kam die Tatsache, dass die Leute denken: wenn jemand im Berufseinstieg jung aussieht und jung ist, kann man sie ruhig verarschen.
Aber mein Küken-Dasein hatte auch Vorteile. Statt “Das haben wir schon immer so gemacht”, brennt mir stets ein “Aber warum denn?” auf den Lippen. Ein “Besser geht’s nicht, haben wir schon probiert”, ist für mich ebenfalls relativ unbefriedigend.
“Wie wäre es denn, wenn wir Projekte X und Y anstoßen? Z wäre auch interessant. Natürlich schaffen wir das, strengen wir uns halt an!” Naivität hin oder her – das soll nicht besser, schneller, interessanter gehen? Pah, ich weigere mich, das zu akzeptieren.
Und ich hatte Glück. Anstatt überwiegend sauer aufzustoßen (ich sage überwiegend, denn ohne ging’s dann doch nicht), wurde meine Rebellion geschätzt. Bis der erste Kunde sagte: “Ich will aber lieber die Frau Wunder haben” und ich mein eigenes Projekt bekommen habe, mein Baby – und mein Chef irgendwann sagte: Christina, wir würden dich gerne noch ein bisschen länger behalten, wenn du magst.
Dass ich als Straßenfegerin in der Gosse enden würde (O-Ton), hatte ich meinem alten Professor immer geglaubt. Ich habe mir selbst bewiesen, dass es auch anders geht. Jetzt kommt die Schwangere meine Vorgängerin wieder. Und ich darf trotzdem bleiben. Hurra.
Photo Credit: Jessica Polar