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“Das Richtige studieren” – habe ich das Falsche gelernt?

Jul 23, 2015 · 3 mins read
“Das Richtige studieren” – habe ich das Falsche gelernt?
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Die brotlose Kunst

Dass ich als Geisteswissenschaftlerin nicht alleine mit meinem Bewerbungsfrust dastehe (bzw. vor dem Jackpot mit der Elternzeitvertretung dastand), ist kein Geheimnis. Auch Vanessa müht sich damit ab, jeden Absagen-Fausthieb stolz und aufrecht zu ertragen und sich dabei Motivation sowie Selbstvertrauen zu erhalten.

Unsere unrühmlich hohen Scores aus fehlgeschlagenen Bewerbungen? Sicher ein zweifelhafter Erfolg, aber ganz bestimmt keine Seltenheit. Immer mehr beginnt man, sich selbst, seine Qualifikation und Eignung in Frage zu stellen. “Was stimmt nicht mit mir?”

Die ganzen Bewerbungstipps, Selbstoptimierungsratschläge und Superheld/Allein-erziehende-Mutter-Ratgeber helfen da natürlich auch nur bedingt. Klar, eine gute Bewerbung und erste Arbeitserfahrung durch Praktika oder Ähnliches müssen schon sein. Ein Garant für Erfolg ist das aber leider beiweitem nicht.

Der Druck wird mit jeder Absage größer: man muss besser werden! Sich neben meinem abgeschlossenen Hochschulstudium noch diese und jene Kompetenzen und Qualifikationen zulegen, nebenbei HTML lernen und einen Kurs in Mandarin belegen. Alles für sein Alleinstellungsmerkmal, versteht sich. Damit man eventuell vielleicht die Chance hat, eine halbe Nasenspitze vorne zu liegen. Und trotzdem kommt da immer irgendein Wunderkind daher, das das alles schon in der achten Klasse abgehakt hat und gerade nebenbei seine Doktorarbeit schreibt. Ähem.

Under pressure

Der Druck hat sich mittlerweile so weit aufgebaut, dass man nicht mehr nur seine Kompetenz in Frage stellt, sondern seinen gesamten bisherigen Werdegang.

Während man selber sich die ganze Zeit abmüht, wird nämlich die Freundin, die BWL, Informatik, Ingenieurwesen oder [hier Platzhalter einfügen für alles, was keine brotlose Kunst ist] studiert hat, einfach mal bei der ersten Bewerbung mit Kusshand eingestellt. Mit einem so hohen Gehalt, dass einem die Ohren schlackern und die Socken von der Ferse rutschen.

“Siehst du, DIE hat’s richtig gemacht!”, sagen auch all diejenigen, die mit guten Ratschlägen sowieso nie geizen. Einfach was Anständiges lernen, einfach das Richtige studieren muss man. Der Rest geht von alleine. Weil: Fachkräftemangel und so.

Während ich noch über das “einfach” lache (es ist ein hysterisches, an Wahnwitz grenzendes Lachen), kommt bei all dem Selbstzweifel doch irgendwann die nüchterne Erkenntnis:

Was “das Richtige studieren” heißt, bestimmst immer noch du!

Ich KANN nämlich nicht das lernen, was mir die besten Berufschancen verspricht. Was das heißt, “das Richtige studieren”, ja, das hängt eben nicht nur vom Arbeitsmarkt ab, sondern davon, wie man selber gestrickt ist. Die persönlichen Interessen und Talente kann man sich eben nicht beliebig aussuchen. Sie sind einfach da. Gekommen, um zu bleiben.

Hätte ich ein Informatik- oder BWL-Studium begonnen, hätte ich es höchstwahrscheinlich nicht abgeschlossen – und das bringt erst recht keinem was.

Was man nun aber sehr wohl tun kann, ist ab und zu mal halb-rechts abbiegen, obwohl man eigentlich geradeaus wollte. Und das kann bei jedem anders aussehen: ein themenverwandtes, aber eben doch anderes Masterstudium dranhängen; sich nach ähnlichen, aber eben doch anderen Jobs umsehen; oder es auf eigene Faust versuchen, wie z.B. Julia.

Durchhängen, die Welt verfluchen, verzweifeln, sich umentscheiden – das ist alles gut und okay.

Nur aufgeben darf man nicht. Es tut sich immer irgendwo ein Türchen auf, und wenn es dafür öfter mal halb-rechts, halb-links oder im Kreis geht, statt geradeaus.

Wie geht’s dir mit deiner Wahl?

Hast du gleich beim ersten Versuch alles getroffen? Oder hast du das Gefühl, du hast das Falsche gelernt?

Wie gehst du damit um?

 

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